X-BASE IN THE AIR TONIGHT
Jomox »X-BASE 09« Drumsynthesizer/Sequenzer
Von Max Lorenz
gedruckt in SOLO 5/99
Lang ist es her, dass Drummer wie Phil Collins die erste Retrospektive der Vintage-Drumcomputer eingeläutet haben. Plötzlich waren sie wieder »in«, die Sounds der analogen Klopfgeister Roland CR-78 oder Roland TR-808, nachdem in den 80zigern fast jeder Pop-Song mit Drumsamples aus Linn-Drumcomputern unterlegt wurde.
War damals der Wunsch nach »realistischen« Sounds und Beats aus dem Computer das Ziel aller Produzenten, setzte plötzlich ein gegenläuifiger Trend bei all denjenigen ein, die die unverwechselbaren analogen Klänge als Stilmittel entdeckten. Besonders aber die Hiphop-Szene machte die TR-808 zu ihrem Markenzeichen, bis dann die Kommerzialisierung des Techno in den 90ern, das schon längst in die Jahre gekommene Nachfolgemodell TR-909 zum Kultstatus erhob.
Analog gilt heute als »druckvoll, durchsetzungsfähig und endgeil« (so der wohl gängige Ausdruck für »sehr gut«). In allen Punkten verdient dieses Urteil meine ungeteilte Zustimmung. Fast kein Pop-Song, der nicht von einer knackigen analogen BassDrum lebt. Einen Haken hat die Sache für junge Produzenten allerdings: Analoge Vintage-Drumcomputer gibt es heute nur noch auf dem Gebrauchtmarkt. Dort aber kosten sie zum einen Unsummen und verfügen zum anderen nur selten über eine MIDI-Schnittstelle. Die Einbindung in ein modernes Set-Up ist also nicht unkompliziert.
Wer einen Sampler sein Eigen nennt, wird auf entsprechende CD-ROMS zurückgreifen
aber Vorsicht, das Sample einer analogen BassDrum mag zwar täuschend echt klingen, erreicht aber niemals die Lebendigkeit eines echten Analog-Sounds. Weitere Vorteile eines Vintage-Klopfgeists, sind die vielen Knöpfe zur schnellen und einfachen Klangveränderung sowie der Timing-feste Sequenzer, der zudem oft über die Roland-typische Lauflichtprogrammierung verfügt, die intuitive Drum-Programmierung zum Kinderspiel werden lässt. Aber wie gesagt - leider werden TRs schon lange nicht mehr gebaut.
Wäre doch gelacht! - dachte sich wohl Jürgen Michaelis, Mastermind und Inhaber der Firma Jomox aus Berlin, als er sich vor drei Jahren entschloss, einen kultigen, echt analogen Drumcomputer zu entwickeln und auf den Markt zu bringen.
Unter der Bezeichnung »X-Base 09« erblickte seine Schöpfung Anfang '97 das Licht der Welt (besser gesagt die Regale des Einzelhandels) und eroberte im Sturm die Herzen von Testern, Musikern und Produzenten. Kürzlich erschien die Software-Version 2.0, die die »X-Base« um schwergewichtige Features erweitert. Grund genug, den bis heute einzigen analogen Drumcomputer auf dem Markt näher unter die Lupe zu nehmen.
Edel
Dem Charme der »X-Base« kann man sich kaum entziehen. Nichts daran erinnert an die anthrazitfarbenen Drumcomputer in Plastikgehäusen japanischer Hersteller. Die »X-Base« sitzt in einem soliden, hell beige gefärbten Metallgehäuse mit naturbelassenen Holzseitenteilen. 23 Potis, 26 beleuchtete Knöpfe und fünf Drumpads (abslout abgefahren, in Form von Schreibmaschinentasten) ermöglichen eine schnelle und leicht verständliche Bedienung. Ein Drei-Ziffern-Display gibt Auskunft über die eingegebenen Werte. Die schwarze Beschriftung des Panels ist auch bei schlechtem Licht gut lesbar.
Rückseitig befinden sich drei Einzelausgänge sowie ein Mono Mix-Ausgang, das übliche MIDI-Trio plus einem DIN-Sync-Ausgang (z.B. zur Ansteuerung einer TB-303). Dazu gesellt sich die Buchse für ein externes Netzteil. Die Buchsen sind doppelt beschriftet. Einmal zum Ablesen wenn man direkt hinter dem Gerät steht, sowie einmal auf den Kopf gestellt, wenn man sich über das Gerät beugt. Ein kleines Deatil, das aber jetzt schon darauf schließen lässt, dass die »X-Base« auch in Detailfragen von Musikern für Musiker (woher kenne ich das Motto?, KS) entwickelt worden ist. Gäbe es einen Designer-Preis für Drumcomputer, würde mein Favourit für dieses Jahrzehnt Jomox »X-Base« lauten!
Neun Sounds
Ja, richtig gelesen: Ausgangsbasis für alle Drumsounds sind neun Basisklänge, die sich aber auf vielfältige Weise beeinflussen lassen. Ein komplettes Set lässt sich als Drumkit speichern mit allen Parametern. 99 solcher Sets kann sich die »X-Base« auf Wunsch »merken«. Zu den Sounds im Einzelnen:
Nr. 1 BassDrum
Nichts geht über analoge KickDrums, daher wird dieser Sound in der »X-Base 09« tatsächlich analog erzeugt. Mit acht Reglern ist die BassDrum die Krone der Schöpfung in der »X-Base« und stellt damit selbst Legenden wie die TR-808 und TR-909 in den Schatten. Die Regler und ihre Funktionen im Detail:
»Pitch« regelt die Tonhöhe des Basisklangs. Hiermit können Subbässe bis hinunter zu 25Hz erzeugt werden. »Tune« wurde von der TR-909 übernommen und steuert den »Envelope Amount« auf die Tonhöhe des VCOs. Im Klartext: Wie stark beeinflusst die Hüllkurve den Verlauf der Tonhöhe. »Decay« ist ebenfalls ein echter Parameter der TR-909. Er ist verantwortlich für die Ausklingdauer (maximal 2,5 Sekunden) der BassDrum. Der Parameter »Harmonics« ist eine echte Jomox-Innovation. Die sinusförmige Wellenform lässt sich hierdurch verzerren. Dadurch entstehen härtere, paukenartige Klänge. Mit dem »Pulse«-Regler wird in der Attack-Phase, je nach Reglerstellung, mehr oder weniger Pulswellen-Anteil zugemischt. Die Klänge werden weicher (TR-808) oder knackiger (TR-909). über »Noise« regelt man stufenlos den Rauschanteil. Dieser Parameter ist die Basis für die abgefahrensten BassDrums. »Attack«: bestimmt die Geschwindigkeit, mit der die Mischung der beiden Wellenformen Noise und Pulse angetriggert werden. Knallige Bass-Drums mit knackigem Kick lassen sich durch den »EQ«-Poti »entschärfen«, um so weichere Bassklänge zu erzeugen.
Nr. 2 SnareDrum
Ebenfalls rein analog aufgebaut wurde hier das Beste aus TR-808 und TR-909 - und in Details verbessert. Die Parameterliste: »Tune« bestimmt die Tonhöhe der beiden Perkussions-Oszillatoren. Der Regler ist identisch mit dem der TR-909, verfügt aber über einen erweiterten Regelbereich um extrem hohe oder tiefe Snare-Sounds erzeugen zu können. »X-Snap« beeinflusst den gefilterten Rauschanteil, der der Snare-Drum mehr Durchsetzungsvermögen verleiht. Auch dies ist ein Parameter der, von den alten TR-Maschinen übernommen wurde. In der TR-909 noch »Tone« genannt, regelt »Decay« die Ausklingzeit des Snare-Sounds. Behelfs »Detune« lassen sich die beiden Oszillatoren der Snare gegeneinander verstimmen, während »Noise Tune« ein eigenes Tuning für den Rauschanteil ermöglicht. In der Einstellung »0« lässt sich der Rauschanteil auch ganz abstellen.
Nr. 3 - 9
In dieser Sektion greift die »X-Base 09« auf gesampelte Klänge zurück, die ebenfalls den berühmten TRs nachempfunden sind. Im einzelnen sind dies: Open HiHat, Closed HiHat, Rim, Clap, Crash, und Ride. Dazu kommt reines Rauschen. Angetriggert werden alle sieben Sounds über die Tasten »Closed HiHat« sowie »Open HiHat«. Es ist also nicht für jeden Sample-Sound ein eigenes Pad vorhanden. Bevor man ein neues Sample einspielen möchte, muss dieses auf dem jeweiligen Pad umgeschaltet werden. Dabei ist Folgendes zu beachten. Die Taste »Closed HiHat« ist mit einer kurzen, die Taste »Open HiHat« mit einer langen Hüllkurve versehen. Software-seitig lassen sich außerdem alle Samples, bis auf Ride und Clap, auch rückwärts abspielen.
Hardwareseitig sind folgende Potis vorhanden: »OH Decay« beeinflusst die Ausklingphase der Samples aufe dem »Open HiHat«-Taster , »CH Decay«ist das entsprechende Pendant dazu. Das Lautstärkeverhältnis zwischen beiden Sample-Gruppen regelt man per »OH/CH Balance«, kaum der Erklärung wert die Funktionsweise des »Tune«-Potis. Angemerkt sei allerdings: Dessen Regelbereich ist so groß, dass bei extremen Einstellungen das Ausgangsmaterial nicht mehr erkennbar ist.
Der Clou an dieser Sektion ist, dass die Samples mit einer minimalen Sampling-Rate arbeiten (z.B. HiHat: 6 Bit). Das tut der Qualität allerdings keinen Abbruch, da die Samples durch einen als Expander arbeitenden analogen VCA geschickt werden, der den Samples wieder Druck und Fülle verleiht. Wer hier realistische Hi-End Klänge erwartet, wird enttäuscht sein. Wer indes durchsetzungsfähige, knallige Elektronik-Perkussion sucht, wird kaum etwas Besseres finden.
Zusammengefasst sei gesagt, die Klangerzeugung ist eine Wucht! Mit der »X-Base 09« lassen sich weitaus vielseitigere Drumsounds generieren als mit der TR-808 und TR-909. Auf Wunsch liefert sie allerdings auch perfekte Plaggiate dieser berühmten Vintage-Teile. Der Vergleich zu gesampelten Sounds bzw. virtuell-analogen Drumsounds à la »Drumstation« lohnt erst gar nicht. Die »X-Base« schlägt sie im direkten A-B-Vergleich um Längen.
Step Sequenzer
It's so easy to fall in love - ganz einfach, weil es nichts Genialeres gibt als die Lauflichttechnik der alten Roland Drumcomputer. Es ist also nichts verwerfliches dabei, diese einfache, aber hervorragende Idee zu kopieren.
Man wählt einen Drumsound, einen Beat , drückt »Record«, und schon beginnen die 16 LED's in der zuvor eingestellten Geschwindigkeit nacheinander aufzuleuchten. Unweigerlich fühlt man sich an die Lauflichter bei Autobahnbaustellen erinnert. Raffiniert: Die LED's sind auch Knöpfe. Tippt man sie leicht an, schaltet die gewählte LED auf kontinuierliches Leuchten um. Trifft nun das »Lauflicht« an diese Stelle, erklingt der gewählte Drumsound. Ebenso leicht lassen sich die Sounds auch wieder ausschalten. Ist man mit einer Spur zufrieden, wechselt man den Sound und spielt das nächste Instrument ebenso simpel ein. Erstaunlich, wie schnell man einen groovy Rhythmus damit produzieren kann.
Es geht jedoch noch weiter: Im »Individual Step Edit Mode« lassen sich alle zuvor beschriebenen Parameter für jeden einzelnen Klang verändern! Und zwar nicht nur global, sondern wirklich unabhängig voneinander. So könnten die fünf hintereinander folgenden Snare-Schläge beispielsweise eine unterschiedliche Tonhöhe besitzen oder unterschiedliche Snap-Werte. Der Phantasie sind hier keine Grenzen gesetzt.
Die Sequenzen selbst lassen sich über eine »Micro Groove/Shuffle«-Funktion rhythmisch stark beeinflussen. Jeder Step kann um sechs 96tel vorgezogen oder verzögert werden; schleppende oder treibende Grooves sind also auch für die »X-Base« kein Problem. Auch Taktangaben wie 7/8tel oder 5/4tel bewältigt die »X-Base« tadellos.
Bleibt noch der »Realtime Write«-Modus vorzustellen, der es dem geübten Perkussionisten erlaubt, Live-Einspielungen vorzunehmen. Ein Feature, auf das die meisten Vintage-Drumcomputer übrigens verzichten müssen.
Zum Aufzeichnen externer MIDI-Klangerzeuger dient die »Ramp Page«, so kann man die internen Drum-Spuren mit Melodielinien oder Bassläufen ergänzen. Drei solcher Melodiespuren stehen zur Verfügung, wobei die Eingabe hier allerdings nicht über Echtzeiteingabe, sondern ausschließlich Step-by-step erfolgt, was bei längeren Passagen schon sehr umständlich werden kann. Zum Editieren von MIDI-Kanal, Notenwerten und -längen erhalten die oberen vier Regler jeder Spur (BD, SD, HH) eine neue Funktion. Ist man mit seiner Arbeit zufrieden, kann man die erstellten Patterns in Songs zusammenfassen und speichern. 64 Patterns und 10 Songs fasst der Speicher. Genug für eine ausgiebige Session.
X-Base ON MIDI
MIDI sei Dank, kann man die »X-Base« auch über MIDI triggern, synchronizieren, Parameterveränderungen in Realtime aufzeichnen und den gesamten Speicherinhalt dumpen. Spätestens jetzt fällt auch bei den eingefleischten Vintage-Freaks der Groschen. Die »X-Base« ist ein modernes Kind unserer Zeit und für den Einsatz im modernen Dance-Studio perfekt geeignet. Vor allem wer ein altes, nicht MIDIfiziertes Roland-Teil mit Sync-Eingang sein eigen nennt (z.B. TB-303) kann dank der »X-Base« getrost auf einen Sync-To-MIDI-Konverter verzichten. Die »X-Base« liefert ihn kostenlos mit.
X-Base on air
Nein, die »X-Base« geht nicht über den Sender, sondern fliegt als »AirBase 09« frei im Studio auch als 19-Zoll-Teil. Wer also nur an den Klängen interessiert ist und auf all die schönen Knöppe verzichten kann, wird evtl. auf die »AirBase 09« zurückgreifen wollen. Sie bietet neben Stereoausgängen, acht Einzelausgänge und deutlich mehr Sounds und Samples. Besonders erwähnenswert ist vor allem das neue Tom-Modul, das auf rein analoger Basis sehr gute TR-909-Toms erzeugt.
Fazit
Natürlich wünschte ich mir für die »X-Base« noch dies und das wie z.B. Stereo-Mix-Ausgang mit Panorama, mehr Samples, das Tom-Modul der Airbase, sowie mehr Trigger-Tasten - aber man kann eben nicht alles haben. Die »X-Base« ist so wie sie jetzt dasteht ein Spitzenprodukt, das jeden Pfennig im Laden wert ist. Für Einsteiger vielleicht sogar die Basis, die in späteren Jahren des Erfolgs stolz unterm Glaskasten präsentiert wird!
Plus:
sound, Bedienung, Step-Sequenzer
Empfohlener VK-Preis: 1499 DM
Checkout
An analogen respektive vituell-analogen Klopfbüchsen wären beispielsweise zu nennen: Novation Drumstation f. 1190 DM und Korg Electribe f. 998 DM.
Statement:
Andreas Schneider von JoMoX meint: was als wesentlicher Bestandteil der Klangbearbeitung leider keine Erwähnung gefunden hat, sind die zwei LFOs, die man in weitem Bereich auf verschiedenen Ziele der Klangerzeugung legen kann, um den Klängen noch einmal richtig Bewegung einzuhauchen. LFOs gab es in anderen Drum-Modulen noch nie, sie ersetzen in extremen Einstellungen gerne auch bislang unbekannte Effektgeräte.
Zum individual Step edit Mode (nach unserer Meinung die eigentliche JoMoX-Innovation): Es ist durchaus auch möglich, dass alle drei Instrumente gleichzeitig auf jedem Step in allen Parametern verschiedene Werte haben können. Kurz gesagt: Jeder Step in jedem Instrument in jedem Pattern kann beliebige Sound-einstellung aufweisen. Sämtliche Funktionen können natürlich auch bei laufender Maschine in Echtzeit editiert werden.